Bernd und André sitzen wieder bei Bernd im Wohnzimmer und sprechen unter anderem über die Statistik hinter den frei verkäuflichen HIV-Selbsttests für zu Hause aus Folge WSR006 Molekülstrukturen, Paracetamol und HIV-Selbsttests, über den Workflow des Sceenings, der immer mal wieder auch in Folge WSR007 Moleküle Atom für Atom untersuchen mit NMR-Spektroskopie zur Sprache kam und über einiges mehr.
HIV-Selbsttest
André beginnt mit dem Bericht über die Zahl der HIV-Neuinfektionen und der Gesamtzahl von Menschen mit HIV in Deutschland. Dabei handelt es sich um eine Schätzung. Im aktuellen Bericht wird eine Zahl von 2700 HIV-Neuinfektionen für 2017 geschätzt. Des weiteren wird geschätzt, dass aktuell die Zahl der HIV-Infizierten, die bisher nicht diagnostiziert wurden, 11400 beträgt. Insgesamt wird geschätzt, dass Ende 2017 etwas 86100 Menschen mit einer HIV-Infektion in Deutschland leben. Links dazu:
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- Pressemitteilung vom Bundesgesundheitsministerium
- Epidemiologisches Bulletin zur Schätzung der Zahl der HIV-Neuinfektionen und der Gesamtzahl von Menschen mit HIV in Deutschland vom Robert-Koch-Institut
Uns vom Wirkstoffradio ist folgendes sehr wichtig zu sagen: Wenn jemand im Zweifel ist, ob sie oder er sich mit HIV infiziert hat, dann sollte man sich nicht auf Selbsttests verlassen, besonders nicht wenn es gerade akut ist. Es gibt jede Menge Möglichkeiten, sich zu Informieren:
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- Liebesleben.de/beratung (Seite der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA))
- 0221 892031 – Telefonberatung der BZgA
- aidshilfe.de (Seite der deutschen AIDS-Hilfe)
- 0180 33 19411 (Telefonberatung deutsche AIDS-Hilfe, Mo-Fr 9-21 Uhr, Sa 12-14 Uhr)
Wenn man den Verdacht hat, sich mit HIV infiziert zu haben, wodurch auch immer, informiert euch, benutzt die oben angegebenen Telefonnummern – die immer zur Anonymität verpflichtet sind – und denkt niemals, dass Ihr alleine seid. Ärzte, Krankenhäuser und jede Menge Einrichtungen werden euch helfen! Besonders, wenn ihr den Verdacht habt ,dass Ihr Euch in den letzten 48 Stunden angesteckt haben könntet, kann man sofort etwas tun, um eine Ansteckung zu verhindern. Zögert nicht und sucht Euch sofort Hilfe. Alle Ansprechpartner ,die wir hier auflisten, werden Eure Sorgen und Informationen vertraulich behandeln.
HIV-Selbsttest: Die Statistik dahinter
Es gab vom RWI, dem Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung, eine Pressemitteilung, dass die HIV-Selbsttests zur „Unstatistik“ des Monats Januar 2019 erkoren wurden. Der Titel der Pressemitteilung lautet „Sie sind wahrscheinlich HIV-Positiv“.
André versucht diese Rechnung nachzuvollziehen und rechnet auch selbst nach. Eine sehr knappe Zusammenfassung, der hier wichtigen statistischen Begriffe und Formeln kann man bei der Universität Münster finden: Elementare Wahrscheinlichkeitsrechnung: Sensitivität und Spezifizität.
Für einen HIV-Selbsttest mit 100% Sensitivität und 99,8% Spezifizität, so wie er auch in der „Unstatistik des Monats“ vom RWI betrachtet wurde, hat André nachgerechnet. Es kommt dabei ein positiv prädiktiver Wert von 7,6% heraus. Wenn man also einen Test machen und als Ergebnis „positiv“ bekommen würde, wäre man mit einer Wahrscheinlichkeit von 7,6% infiziert. Anders ausgedrückt: von 13 positiv getesteten Personen, ist eine Person infiziert und 12 sind nicht infiziert. Hier die Rechnung dazu:
André hat bei einer Drogeriekette einen HIV-Selbsttest im online-Angebot gefunden. Die Artikelbeschreibung gab lediglich eine „99% Genauigkeit“ an. Für eine weitere Beispielrechnung hat André daher 99% Sensitivität und 99% Spezifität angenommen. Dabei ist der positiv prädiktive Wert 1,6%. Wenn man also einen Test machen und als Ergebnis „positiv“ bekommen würde, wäre man mit einer Wahrscheinlichkeit von 1,6% infiziert. Anders ausgedrückt: von 63 positiv getesteten Personen, ist eine Person infiziert und 62 sind nicht infiziert. Hier die Rechnung dazu:
Peter Schmieder und die Gebüsche
Bernd und André sprechen ein bisschen darüber, was ihnen besonders an der letzten Folge, WSR007 Moleküle Atom für Atom untersuchen mit NMR-Spektroskopie – Interview mit Dr. Peter Schmieder, gefallen hat. Stichworte wie Gebüsche, magische Winkel, multi-dimensionale Spektren und Magnetfeldstärke fallen dabei – alles nach zuhören in der letzten Folge beziehungsweise in den Shownotes nachzulesen.
Der Workflow des Screenings
In der letzen Folge mit Peter Schmieder kam auch kurz das Thema „Screening“ auf, und Bernd sagt, dass wir da ein wenig schnell drüber hinweg gegangen sind. Daher hat Bernd dieses Thema ein wenig ausführlicher und allgemeiner aufbereitet. Wir empfehlen auch hier nochmal unsere erste Folge anzuhören: WSR001 Was sind Wirkstoffe? – Interview mit Prof. Höltje.
Bernd hat bereits einige Vorträge zum Thema „drug development workflow“ gehalten, und für den Podcast die folgende Folie mitgebracht. Die gibt es auch als PDF.
Eine kleine Linkliste zu den angesprochenen Stichworten:
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- in der präklinischen Phase geht es vor allem darum, Prozesse besser zu verstehen und Substanzen zu identifizieren, die vielleicht irgendwann einmal Wirkstoff werden.
- Die klinische Phase der Arzneimittelforschung ist in vier Phasen unterteilt, wobei die ersten drei Phasen, die verschiedenen Schritte bis zur Zulassung eines Medikaments umfassen, und die vierte Phase nach der Zulassung des Medikaments statt findet. Jedes zugelassene und auf dem Markt befindliche Medikament, ist quasi in der vierten Phase.
- Wirkstoffklasse (Wikipedia-Artikel)
- Assay (Wikipedia-Artikel)
- Ligand (Wikipedia-Artikel)
- Wir kommen auch auf Naturstoffe zu sprechen, über die wir ausführlich in Folge WSR003 mit Prof. Ludger Wessjohann gesprochen haben.
- Brute-Force-Methode (Wikipedia-Artikel)
- Synthese (Wikipedia-Artikel)
- Modellorganismen (Wikipedia-Artikel)
Ein paar Empfehlungen von uns
Letzten Sonntag haben wir einen Blogartikel veröffentlicht, in dem wir ein paar Sachen empfehlen und verlinken. Einmal einen Vortrag von Anna, Katrin und André auf dem 35c3 zum Thema CRIPR/Cas und eine sehr hörenswerte Folge des Sendungsbewusstsein Podcasts zum Thema THC. Sendungsbewusstsein ist ein Gesprächspodcast von Mirco Blitz. Mirco ist sehr aktiv bei der Organisation des Chaos Communication Congress und im CCC Umfeld besser unter seinem Nickname Lindworm bekannt. Er hat sich mit zwei Menschen unterhalten, unter anderem über Schmerztherapie und die verschiedensten Arzneimittel, die dabei zur Anwendung kommen, und auch über das Tetrahydrocannabinol (THC), der Wirkstoff aus Hanf. Diese Folge setzt sich vor allem mit der Lebens- und Leidengeschichte vom Interview-Gast Jens auseinander. Eine ausdrückliche Hörempfehlung:
Das CRISPR/Cas-Video haben wir in den Blogpost eingebettet und verlinkt.
Bernd und André waren beide auf dem 35. Chaos Communication Congress (35c3) und haben jeder eine Empfehlung für sehenswerte Vorträge die Wissenschaft betreffend:
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- Inside the fake science factories, deutscher Vortrag (Link zu Video auf media.ccc.de)
- Locked up science, englischer Vortrag (Link zu Video auf media.ccc.de), man kann eine Deutsche Synchronisation oder Untertitel am Zahnrädchen im Video (unten rechts) einstellen.
Termine
- Subscribe 10, vom 22. bis 24. März in Köln
- Wirkstofftage, 01. und 02. April in Dresden
Bernd wird auch auf der Subscribe 10 anwesend sein. André kann leider nicht zur Subscribe nach Köln kommen, weil er den Science Slam in der Phänomenta in Flensburg moderieren wird. Aber André und Bernd werden zusammen die Wirkstofftage des Leibniz-Forschungsverbunds „Wirkstoffe und Biotechnologie“ besuchen und davon hier berichten.
Wir haben Feedback bekommen
Dr. Dennis Eckmeier hat uns über Twitter Feedback zukommen lassen – danke sehr. Er macht, zusammen mit zwei anderen Wissenschaftler*innen, den englischsprachigen Podcast science for progress.
Bernd bittet darum, wenn jemandem etwas auffällt, wo es tontechnisch bei uns harkt, dass man dann die genaue Zeit im Podcast mit angibt. Einige Podcast-Programme, sogenannte Podcatcher, haben dafür extra Funktionen wie Lesezeichen, die dafür sehr hilfreich sind. Bernd erwähnt dabei ausdrücklich die Programme Podcat, Antennapod und iTunes.
UND wir haben unsere erste iTunes-5-Sterne-Rezension bekommen. Herzlichen Dank! Liebe oder lieber
Wir wurden auch im Podcast Bienengespräche von Lothar Bodingbauer erwähnt und empfohlen – herzlichen Dank. Diese Empfehlung geben wir gerne zurück, die Bienengespräche sind wirklich hörenswert!
Wir freuen uns immer über Feedback: per Mail unter info@wirkstoffradio.de, in den Kommentaren unter den einzelnen Episoden, über Twitter @wirkstoffradio oder auch als Bewertung bei iTunes oder panoptikum.social.
Wirkstoffradio ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung - Keine Bearbeitungen 4.0 International Lizenz.
Hallo André und Bernd, sehr interessante Folge! 😊 Mir fällt spontan noch eine (sinnvolle?) Nutzung von HIV Selbsttests ein (bei 100% Sensitivität): als Ausschluss z. B. wenn man nen neuen Partner hat.
Hallo Wiebke! Wie schön von dir zu lesen – das ist tatsächlich etwas worüber ich gar nicht nachgedacht hatte. Das stimmt, dafür wäre es ganz praktisch.
Hallo André, hallo Bernd,
wenn auch ein später, trotzdem aktueller Kommentar:
Habe gerade euer Rechenbeispiel zum HIV-Test genutzt, um die Problematik eines Sars-CoV2 Antikörper-Tests (Sensitivität 100% bei 87 Proben, Spezifizität 94% sowohl bei IG G und M, bei 83 Proben) einer Kollegin zu erklären (und natürlich den Podcast empfohlen) zu erklären…
Viele Grüße von der Apotheken-„Front“