Ho, Ho, Ho – Bernd und André sitzen wieder zusammen bei Bernd im Wohnzimmer, um eine kleine Weihnachtsepisode aufzunehmen.
Weihnachtliches Essen steht dabei im Mittelpunkt. André hat etwas über die Farbstoffe aus dem Rotkohl (oder Blaukraut) mitgebracht und eine Erklärung, warum man sich hier nicht auf rot oder blau einigen kann. Bernd hat Naringin zum Wirkstoff des Monats auserkoren und erklärt auch, wo da der Weihnachtsbezug ist. Außerdem berichtet André über die Inhaltsstoffe von Walnüssen und warum er dazu eine ganz besondere Beziehung hat. Zum Abschluss gibt es noch etwas über das Eroom’sche Gesetz, was eigentlich Moore’sche Gesetz rückwärts ist, aber mit Pharmakologie zu tun hat.
(Im Podcast gibt es Kapitelmarken, die den Zwischenüberschriften hier im Text entsprechen, so dass es einfacher ist, bestimmte Teile erneut zu hören. Nicht jede Kapitelmarke hat eine Zwischenüberschrift, manchmal fassen wir mehrere Kapitel zusammen.)
Farbstoff im Rotkohl: Anthocyane
André fängt an mit Richard Willstätter, der den Nobelpreis für Chemie 1915 verliehen bekommen hat, unter anderem für seine Forschung an Anthocyanen. Diese Stoffe kommen in vielen Pflanzen vor, beispielsweise in Brombeeren, Kirschen, und Kornblumen und sind immer blau bis rot. Sie befinden sich sehr weit außen in der Struktur der Pflanzen, um die Zellen vor einfallendem UV-Licht zu schützen. Die Anthocyane absorbieren das UV-Licht und wandeln es in Wärme um.
Der Rotkohl (oder Blaukraut) bekommt seine charakteristische Farbe durch Cyanidin, das zur Gruppe der Anthocyane gehört. Und dazu hat André ein kleines Experimente mitgebracht. Er hat immer etwas Rotkohlsaft in seinem Gefrierfach und gibt jetzt davon etwas in drei Gläser mit Wasser. In das linke Glas kommt dann noch Essig und in das rechte Glas Natron. Durch das saure Essig sinkt der pH-Wert im linken Glas und der Rotkohlsaft wird rot bis rosa, durch das Natron steigt der pH-Wert im rechten Glas und der Rotkohlsaft wird grün, wie im Bild unten zu sehen.
Links dazu:
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- Anleitung zur Herstellung von Rotkohlsaft, bei Andrés Projekt „Plötzlich Wissen!“
- Essigsäure, Wikipedia-Artikel
- Natron, Wikipedia-Artikel
- Absorption von sichtbarem Licht, Wikipedia-Artikel
- Indikator (Chemie), Wikipedia-Artikel
Weihnachtsessen
Bernd und André reden dann darüber, was es bei ihren Eltern jeweils als Weihnachtsessen gab, und bei beiden spielt Rotkohl definitiv eine Rolle.
Wirkstoff des Monats: Naringin
Das Naringin ist ein Glycosid, eine Gruppe von Stoffen, deren Moleküle aus einem Teil Zucker und einem „nicht-Zucker“ (bezeichnet als Aglycon) aufgebaut sind. Glycoside sind häufig Bitterstoffe und auch das Naringin gehört zu den Bitterstoffen und ist in der Grapefruit enthalten. Der „nicht-Zucker“-Teil des Naringin heißt Naringenin, der eine interessante Wirkung auf den Körper hat: Dieser Stoff blockiert ein bestimmtes Cytochrom in der Leber, das normalerweise Coffein abbaut. Bernd schließt daraus, dass das einer der Gründe ist, warum einige Menschen zum Frühstück Grapefruitsaft trinken – weil sie dadurch die Wirksamkeit des Kaffees erhöhen.
Das bestimmte Cytochrom, Cytochrom P450, das so vom Grapfruitsaft in der Leber blockiert wird, ist auch unter anderem auch zuständig für den Abbau von Statinen. Das war die Wirkstoffklasse, die den Cholesterin-Spiegel im Blut senken, über die wir in Folge WSR025 Cholesterin gesprochen haben. Bei bestimmten Statinen reicht schon ein Glas Grapefruitsaft, um den Abbau so stark zu hemmen, dass die Konzentration von Statinen so hoch bleibt, dass Nebenwirkungen auftreten können.
Links dazu:
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- Kein Grapefruit mit Simvastatin, apotheke adhoc
- Pampelmuse, Wikipedia-Artikel
- Mandarine, Wikipedia-Artikel
- Wirkungsverlängerung von Statinen durch Grapefuit Saft. leider ist der Artikel hinter einer paywall daher hier der doi: 10.1067/mcp.2000.110216
- Von kleinen Unterschieden: Statine sind nicht alle gleich
Walnüsse und Essentielle Fettsäuren
André macht weiter mit dem Thema weihnachtliche Nahrungsmittel: Walnüsse. Es ist immer mal wieder zu lesen, dass Walnüsse gut sind, wenn man einen erhöhten Cholesterin-Spiegel hat, auch André hat das von seinen Ärzt*innen und vor allem von einer Diätassistentin gesagt bekommen. Und das ist vollkommen richtig, denn die Walnuss enthält neben sehr vielen anderen guten Dingen auch Essentielle Fettsäuren (veraltet: Vitamin F), die der Körper nicht selbst herstellen kann. Es gibt zwei Arten essentieller Fettsäuren, die für den Menschen wichtig sind: Omega-3-Fettsäuren und Omega-6-Fettsäuren.
In der westlichen Welt ernährt man sich im Schnitt so, dass das Verhältnis Omega-6-Fettsäuren zu Omega-3 das 15-Fache ist. Man nimmt also 15-mal mehr Omega-6 zu sich als Omega-3, und das ist nicht sonderlich gesund. In Studien wurde herausgefunden (Links weiter unten), dass ein Verhältnis von 4 : 1 sich positiv auf die Gesundheit auswirkt. Genauer gesagt kann dadurch das Risiko einen Herzinfarkt, Arterienverkalkung, oder einen Schlaganfall zu erleiden verringert werden. André weißt aber darauf hin, dass man darauf achten muss, nicht einfach mehr Omega-3-Fettsäuren zu sich zu nehmen, da man so dann ja auch mehr Fett auf nimmt. Wichtig ist es, Nahrungsmittel zu kennen, die einen hohen Anteil an Omega-3-Fettsäuren haben, und diese geschickt in den Speiseplan aufzunehmen. Und die Walnuss ist da definitiv ein heißer Kandidat, besonders wenn man, wie André, nicht so gerne Fisch mag.
André gibt auch noch einen Einblick, wie er seine Ernährung umgestellt hat und die Walnüsse in seinen Speiseplan aufgenommen hat, ohne zu viel Fett zu sich zu nehmen und gleichzeitig etwas leckeres zu sich nimmt, das auch sättigend wirkt.
Links zu den Studien, die André angesprochen hat, und aus denen er die Zahlen hat:
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- Joseph R Hibbeln et al., Healthy intakes of n−3 and n–6 fatty acids: estimations considering worldwide diversity, The American Journal of Clinical Nutrition, Volume 83, Issue 6, June 2006, Pages 1483S–1493S, wissenschaftlicher Artikel (open access)
- Cheng Luo et al., Nut consumption and risk of type 2 diabetes, cardiovascular disease, and all-cause mortality: a systematic review and meta-analysis, The American Journal of Clinical Nutrition, Volume 100, Issue 1, July 2014, Pages 256–269, wissenschaftlicher Artikel (open access)
- Dagfinn Aune et al., Nut consumption and risk of cardiovascular disease, total cancer, all-cause and cause-specific mortality: a systematic review and dose-response meta-analysis of prospective studies, BMC Medicine volume 14, Article number: 207 (2016), wissenschaftlicher Artikel (open access)
- Yunying Huang et al., Effect of oral nut supplementation on endothelium-dependent vasodilation – a meta-analysis, Vasa (2018), 47, pp. 203-208, wissenschaftlicher Artikel (open access)
Eroom’s Law – der böse, kleiner werdende Bruder des Moor’s Law
Bernd hat dieses Thema mitgebracht, weil ihm in letzter Zeit viele Bücher über Dystopien gesehen hat (z. B. hier), die das dunkle Zeitalter von Big Data und KI ankündigen. Unter anderem gab es dort Thesen wie „Die Computer werden immer schlauer und die Wissenschaftler immer dümmer“, was sowohl Bernd als auch André… für völligen Quatsch halten. Um diese steile These zu untermauern, wurde das Eroom’sche Gesetz (Eroom’s Law, englische Wikipedia) angeführt, das sich eigentlich retrospektiv mit der Neuzulassung von neuen Wirkstoffen als Medikament beschäftigt. Eroom’s Law ist eigentlich Moore’s Law rückwärts geschrieben.
Die Zahl der Neuzulassungen von neuen Wirkstoffen hat sich in der Vergangenheit etwa alle neun Jahre halbiert. Allerdings ist dieses Gesetz nicht dafür gedacht, in die Zukunft zu blicken, sondern als Instrument zur Analyse der Vergangenheit. Daher gibt es auch vier verschiedene Aspekte, die in Eroom’s Law beinhaltet sind, die diesen Rückgang erklären.
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- Das „Besser-als-die-Beatles“-Problem
- Der vorsichtige Regulierer
- Das liebe Geld (throw money at it)
- Basic-reseach burte-force
Diese Punkte besprechen Bernd und André ausführlich.
Bernd erklärt seine Sichtweise und warum er keine Angst vor Big Data hat, sondern eher im Gegenteil: Die Datenfülle in der Wirkstoffforschung ist für ihn ein Segen. Seine tägliche Arbeit befasst sich mit Big Data und viele Dinge könnte er gar nicht mit der existierenden Datenfülle über Moleküle und Verbindungen wirklich arbeiten. Er ordnet dies im Podcast detailliert ein.
Big Data und KI
André fast die von Bernd beschriebene Panik-Mache zu Thema Big Data und KI nocheinmal kurz zusammen und er macht ein Problem bei diesen Begriffen aus. Sie sind schwer zu greifen, kaum jemand, der nicht von Berufswegen damit befasst ist, weiß gar nicht genau was denn Big Data und KI sind, und das führt zu Unsicherheit und damit auch zu einer einfachen Möglichkeit, Angst zu machen und etwas zu verteufeln.
Termine
Bernd und André sind auf dem 36. Chaos Communication Congress (36c3) in Leipzig und dort auch in das „Science Communication Center“ involviert. Jede/r Wissenschaftler*in ist herzlich eingeladen, sich unter scc@wirkstoffradio.de zu melden, um zu sehen wie sie oder er sich einbringen kann, wenn Interesse da ist. Es wird ein kleines Programm geben, das zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht fest steht – jeder kann gerne vorbei kommen.
Neue Folge mgg-Podcast über Pflege
André hat eine neue Episode seines Podcasts mal ganz grundsätzlich (mgg) veröffentlicht und zwar zum Thema Pflege. Die dritte Folge, ebenfalls zum Thema Pflege wird auch bald heraus kommen. Hier die Links:
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