WSR025 Cholesterin - Interview mit Prof. Dr. Elisabeth Steinhagen-Thiessen

Bernd und André sind zu Gast im Arbeitszimmer von Frau Prof. Dr. Steinhagen-Thiessen. Sie leitet den Arbeitsbereich Lipidstoffwechsel an der Charité Berlin und ist Chefärztin des Altersmedizinischen Zentrums am Krankenhaus Wolgast in Mecklenburg-Vorpommern. Bernd und André sprechen mit ihr über den Fettstoffwechsel und vor allem über Cholesterin.

Portrait von Frau Prof. Dr. Steinhagen-Thiessen
Prof. Dr. Steinhagen-Thiessen

André ist selbst betroffen von einer Cholesterinerhöhung und hat Frau Steinhagen-Thiessen bei einer Informationsveranstaltung für Patient*innen an der Charité kennen gelernt und sie nun ins Wirkstoffradio eingeladen. Sie arbeitet und forscht nicht nur über Fettstoffwechsel, sondern auch im Bereich der Altersmedizin. Für dieses Engagement hat Frau Steinhagen-Tiessen 2016 das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen bekommen. Außerdem ist sie seit 2012 Mitglied des Deutschen Ethikrats.

(Im Podcast gibt es Kapitelmarken, die den Zwischenüberschriften hier im Text entsprechen, so dass es einfacher ist, bestimmte Teile erneut zu hören. Nicht jede Kapitelmarke hat eine Zwischenüberschrift, manchmal fassen wir mehrere Kapitel zusammen.)

Was ist Cholesterin?

Cholesterin ist ein ganz wichtiger Baustein unseres Körpers. Ohne Cholesterin kann man nicht leben, denn es bildet die Vorstufe für alle Hormone, für Gallensäuren, ist Bestandteil der Herstellung von Vitamin D und für vieles mehr – was übrigens für alle Säugetiere gilt. Außerdem wird es für die Zellmembranen für jede Zelle unseres Körpers benötigt.

Wenn man allerdings zu viel Cholesterin im Körper hat, auch nur ein wenig, kann sich über Jahre und Jahrzehnte Atherosklerose bilden, die sogenannte Arterienverkalkung. Frau Steinhagen-Thiessen führt aus, wie sich Cholesterin abgrenzt zu anderen Blutwerten und wie der Unterschied zu Fett ist.

70% des Cholesterins wird im Körper selbst hergestellt und ca. 30% wird durch die Nahrung aufgenommen. Frau Steinhagen-Thiessen betont, dass dies wichtig ist zu wissen. Jede/r Patient*in mit hohem Cholesterinspiegel wird die Ernährung umstellen müssen, aber dadurch sind lediglich 10-15% Absenkung des Cholesterins möglich. Daher ist oft eine medikamentöse Therapie unumgänglich.

Links zu diesem Themenabschnitt:

Drei Gründe für hohes Cholesterin

Frau Steinhagen-Thiessen zählt drei Gründe für hohes Cholesterin auf:

    1. Ein hoher Cholesterinspiegel durch Vererbung
    2. Schlechte Ernährung und wenig Sport und dadurch weniger LDL-Rezeptoren, die das LDL-Cholesterin binden (oder auch ein vererbter Defekt in den Rezeptoren)
    3. Das Alter

Der Cholesterinspiegel ist ein sehr individueller Messwert. Es existieren allerdings Richtwerte für Personen, die bereits einen Herzinfarkt erlitten haben, einen Stent gesetzt bekommen haben oder eine vergleichbare Krankengeschichte aufweisen. Für diese Personen sollte der LDL-Cholesterin Wert unter 55 mg/dl liegen. Ein gesunder Mensch sollte nicht mehr als 300mg Cholesterin mit der Nahrung aufnehmen, für Risikogruppen gelten teilweise geringere Werte.

Die verschiedenen Arten des Cholesterin (LDL, HDL und andere)

In den meisten Fällen ist das HDL Cholesterin (High Density Lipoprotein) das „gute“ Cholesterin und das sollte hoch sein. Das LDL Cholesterin (Low Density Lipoprotein) ist das „schlechte“ Cholesterin und sollte niedrig sein und ist auch ein deutlich schwerwiegender Faktor. Mediziner einigen sich für Leitlinien auf einen Wert für das LDL Cholesterin.

Frau Steinhagen-Thiessen führt kurz aus, wie die Symptome bei Kindern aussehen, die sowohl vom Vater als auch der Mutter einen hohen Cholesterinspiegel vererbt bekommen haben.

In den Fachworten für die verschiedenen Arten des Cholesterins stecken die Worte Lipid für Fett und Protein für Eiweiß. Cholesterin ist vom Körper in eine Proteinhülle verpacktes Fett, da es sonst nicht löslich im Blut wäre und nicht transportiert werden könnte. Ein kleines Experiment für zu Hause: Ein Ei aufschlagen und das Eigelb vom Eiklar trennen. Lediglich im Eigelb befindet sich Fett, allerdings komplett „verpackt“ in Cholesterin-Partikel. Das Eigelb lässt sich ohne Probleme mit Wasser verrühren und mischen, ohne dass sich Fettaugen bilden, obwohl der Fettgehalt eines Eigelbs erheblich hoch ist (ca. 300mg Cholesterin pro Ei).

Für den Fleischkonsum gibt Frau Steinhagen-Thiessen auch ein Beispiel, mit dem man sehr gut den Gehalt von Cholesterin dieser Nahrungsmittel abschätzen kann: In Schweinefleisch und Rindfleisch sind pro 100g ca. 70mg Cholesterin enthalten, bei Lammfleisch etwas weniger. Das Cholesterin befindet sich in den Zellen des Fleisches. Bei Hühnerfleisch befindet sich das Cholesterin direkt unter der Haut und nur zu einem sehr geringen Anteil in den Zellen, was übrigens auch für Enten, Gänse und anderes Geflügel gilt. Außerdem erklärt sie, warum Corned-Beef diesbezüglich eine Ausnahme darstellt. Dieses Fleisch enthält durch den Verarbeitungsprozess kaum noch Cholesterin oder Fett und wird den Patienten von Frau Steinhagen-Thiessen empfohlen.

Wieso ist das LDL „schlecht“ und HDL „gut“?

Wenn das LDL-Cholesterin „alt“ geworden ist, also beispielsweise im Körper oxidiert wurde, kann es sich in Arterien ablagern und Atherosklerose auslösen. Dieser Alterungsprozess des Cholesterin findet dann statt, wenn im Blut viel Cholesterin vorhanden ist, so viel dass Zellen, die dieses Cholesterin benötigen, nur einen Bruchteil aus dem Blut entnehmen. Das ist der Grund, warum ein hoher Cholesterinspiegel ein Risikofaktor für Arterienverkalkung ist. Der Körper reguliert nicht die Produktion des Cholesterins in der Leber, wenn der Bedarf hoch oder niedrig ist, sondern die Anzahl der Rezeptoren an den Zellen, die das Cholesterin aus der Blutbahn entnehmen.

Wie bereits bei den drei Gründen aufgezählt, kann  auch ein Defekt in den Cholesterin-binden Rezeptoren  vorliegen, was dann zu einem erhöhten Cholesterinspiegel führt. Frau Steinhagen-Thiessen erklärt die Wechselwirkung zwischen den Rezeptoren und dem Cholesterin ausführlich.

Bisher wurde eher am LDL-Cholesterin geforscht als am HDL. Das HDL hat die Fähigkeit, eine Ablagerung aus LDL-Cholesterin an der Arterienwand dieses LDL wieder herauszulösen und zum Abbau in die Leber zu transportieren. Das HDL trägt also dazu bei, die Arterienverkalkung zu verringern, ist aber nicht in der Lage komplett zu einer Genesung zu führen. HDL kann ein wenig durch angepasste Ernährung und körperliche Betätigung angehoben werden.

Das HDL-Cholesterin hat verschiedene Unterarten. Von diesen wirkt besonders das HDL2 gegen Ablagerungen von LDL-Cholesterin in den Arterien. Frau Steinhagen-Thiessen berichtet davon, dass bei Diabetiker*innen festgestellt wurde, dass besonders dieses HDL2-Cholesterin erniedrigt ist. Das ist einer der Gründe, warum Diabetiker*innen oft mit Herz-Kreislauf-Erkrankten gleichgesetzt werden. Aktuell beginnen Untersuchungen, wie mit Hilfe der NMR-Technik die verschiedenen Fraktionen des HDL gemessen werden können. Wie NMR funktioniert wurde in Folge WSR007 Moleküle Atom für Atom untersuchen mit NMR_Spektroskopie erklärt.

Versorgung der Zelle mit Cholesterin wenn der Rezeptor defekt ist

Bernd stellt die Frage, ob es nicht passieren kann, dass eine Zelle mit Cholesterin unterversorgt ist, wenn ein LDL-Rezeptor defekt ist. Frau Steinhagen-Thiessen berichtet, dass dies eine häufige Annahme ist, um die man sich allerdings nicht sorgen muss. Der Körper stellt immer ausreichend Cholesterin zur Verfügung. Als Beispiel: ein Säugling, der soeben auf die Welt gekommen ist, hat einen LDL-Spiegel von ca. 25mg/dl und ist für die Entwicklung vollkommen ausreichend. Eine Unterversorgung mit Cholesterin kommt so gut wie nicht vor.

Die Downregulation des LDL-Rezeptors durch Ernährung

Der dritte Grund für einen hohen Cholesterinspiegel ist schlechte Ernährung und wenig Sport. Nicht nur durch die hohe Aufnahme von Cholesterin, es wurde auch festgestellt, dass die LDL-Rezeptoren durch diese Lebensweise herunter reguliert werden und so noch weniger Cholesterin aus der Blutbahn entnommen werden kann. Dies basiert auf der Arbeit von Micheal Stuart Brown und Joseph L. Goldstein, die für ihre Arbeit 1985 den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin erhalten haben.

Der dritte Grund: das Alter (und Geschlechterunterschiede)

Wenn ein Mensch geboren wird, besitzt er die meisten LDL-Rezeptoren auf den entsprechenden Zellen. Mit dem Alter nimmt diese Zahl langsam aber stetig ab. Es gibt auch einen Unterschied zwischen den Geschlechtern: Frauen haben einen deutlich niedrigeren Cholesterinspiegel als Männer – bis zur Menopause. Ab diesem Zeitpunkt geht der Spiegel schlagartig nach oben gleicht sich dem Niveau der Männer im gleichen Lebensalter an. Dies ist dadurch begründet, dass der LDL-Rezeptor durch das Hormon Östrogen stimuliert wird.

Alle drei Gründe zusammen genommen, also eine Vererbung, Herrunterregulierung des Rezeptors (durch schlechte Ernährung oder eine Mutation) und die Reduktion der Rezeptoren durch das Alter führen dann am Ende zum weit verbreiteten, hohen Cholesterinspiegel in der Bevölkerung.

Was sind die spezifischen Probleme von Frauen bei koronarer Herzkrankheit?

André fragt nach dem Risiko von Frauen, einen Herzinfarkt zu erleiden und der Wechselbeziehung mit dem Cholesterin, das erst nach der Menopause stark ansteigt. Ihm ist im Hinterkopf, dass Statistiken ein niedrigeres Risiko für Herzinfarkte bei Frauen zeigen.

Frau Steinhagen-Thiessen: Frauen und Männer haben gleich oft einen Herzinfarkt, nur ist die Häufigkeit bei Frauen 7 bis 10 Jahre später als bei Männern. Das führt dazu, dass Frauen durch das höhere Alter noch andere Erkrankungen haben und daher öfter am Herzinfarkt sterben als Männer und so entsteht dieses verschobene Bild.

Lipoprotein a – der kleine freche Bruder

Das Lipoprotein a wurde erst 1963 zum ersten mal beschrieben. Es trägt im Inneren ein LDL-Chloesterin, hat aber einen etwas anderen äußeren Aufbau. Da es aber so viel Ähnlichkeit mit dem LDL-Cholesterin hat, wurde es zunächst einfach als das Gleiche angesehen. Es wurde festgestellt, dass das Lipoprotein a sein Gen auf dem Chromosom 6 lokalisiert hat, jenes Chromosom, das eigentlich nur für die Blutgerinnung zuständig ist. Nur ca. 25% der Menschen in Deutschland haben überhaupt das Lipoprotein a. Frau Steinhagen-Thiessen erzählt von einem Erklärungsansatz, wofür dieses Protein der menschlichen Frühzeit zuständig war: für eine bessere Wundheilung.

Allerdings bringt das Lipoprotein a (oder kurz LP a) einige Risiken mit sich: Frauen haben öfter Fehlgeburten, das Risiko einer Lungenembolie ist gesteigert.

André erzählt, woher er seine LP a Erkrankung hat und wie es dazu kam, dass sie festgestellt wurde.

Das LP a führt auch zu einer Erhöhung des Risikos der Arterienverkalkung, denn das LDL-Cholesterin in seinem Inneren kann genauso „altern“ wie schon beschrieben wurde, so dass es sich in der Gefäßwand ablagern kann.

Blutfette und Triglyceride

Frau Steinhagen-Thiessen ordnet die verschiedenen Stoffwechselstörungen der Blutfette ein und erklärt ausführlich die Unterschiede.

Therapie von hohem Cholesterin

Frau Steinhagen-Thiessen berichtet aus der Sicht einer Ärztin über die Behandlung, Unverträglichkeiten, Nebenwirkungen und Abwägungen bei einer Therapie von hohem Cholesterin. Die erwähnten Publikationen dazu werden bald hier verlinkt.

Eine Linkliste zu den Stichworten die vorkommen:

Lieblingswirkstoff

Der Lieblingswirkstoff für Frau Steinhagen-Thiessen ist das Gespräch mit den Patient*innen. Denn Aufgabe der Medizin ist es, auch den Patienten mitzunehmen, zu erklären und für Verständnis zu sorgen.


Wir bedanken uns ganz herzlich bei Prof. Dr. Elisabeth Steinhagen-Thiessen für ihre Zeit und die Erklärungen und Einschätzungen zum Thema.

Wir freuen uns immer über Feedback: per Mail unter info@wirkstoffradio.de, in den Kommentaren unter den einzelnen Episoden, über Twitter @wirkstoffradio oder auch als Bewertung bei iTunes oder panoptikum.social.

Wirkstoffradio-Feedback-Telefon   +49 (0)30 746 910 64

avatar
André Lampe
avatar
Prof. Dr. Elisabeth Steinhagen-Thiessen
Creative Commons Lizenzvertrag
Wirkstoffradio ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung - Keine Bearbeitungen 4.0 International Lizenz.

2 Antworten auf „WSR025 Cholesterin - Interview mit Prof. Dr. Elisabeth Steinhagen-Thiessen“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert