WSR031 MRSA, Schneeglöckchen und Alkaloide

Bernd und André sitzen zusammen und sprechen über Dinge der letzten Folge, den Wirkstoff des Monats und ein paar andere Dinge.

Methicillin resistener Staphylococcus aureus (MRSA), (public domain by CDC/ Janice Carr/ Deepak Mandhalapu, M.H.S.)

Da es in der letzten Folge WSR030 Antibiotika & Resistenzen: Geschichte, gesellschaftliche Bedeutung und Antiinfektiva-Forschung auch um Antibiotikaresistente Bakterien wie MRSA ging, hat André dazu mehr Details mitgebracht. Bernd hat einen Wirkstoff des Monats ausgewählt, und zwar das Galantamin, das zur Gruppe der Alkaloide gehört. Außerdem gibt es noch ein paar Termine für März und April 2020.

(Im Podcast gibt es Kapitelmarken, die den Zwischenüberschriften hier im Text entsprechen, so dass es einfacher ist, bestimmte Teile erneut zu hören. Nicht jede Kapitelmarke hat eine Zwischenüberschrift, manchmal fassen wir mehrere Kapitelmarken unter einer Überschrift zusammen.)

Entwicklung der Antibiotika-Resistenz in den nächsten Jahrzehnten

In der letzten Episode WSR030 Antibiotika & Resistenzen: Geschichte, gesellschaftliche Bedeutung und Antiinfektiva-Forschung haben Bernd und André mit Dr. Florian Kloß vom Hans-Knöll-Insitut (HKI), Leibniz-Insitut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie, gesprochen und Florian hat eine kleine Korrektur zu den Zahlen nachgereicht, die er im Interview genannt hat. Er sprach von 700 000 „Fällen“ von Infektionen mit Antibiotikaresistenten Bakterien – korrekt hätte es „Todesfälle“ heißen müssen. Dies und viele weitere Zahlen kann man in einem sehr ausführlichen Report des Wellcome Trust nachlese. André empfiehlt den Atlas der ECDC (European
Centre for Disease Prevention and Control), um sich einige interaktive Karten zum Thema Antibiotikaresistenzen anzusehen.

Geschichte und Entwicklung von MRSA

André hatte zu seiner Zivildienst-Zeit im Rettungsdienst öfter mit MRSA zu tun und  wollte dazu noch etwas Hintergrund liefern, da in der letzten Episode dieses Thema nur am Rande angesprochen wurde.

MRSA war ursprünglich die Abkürzung für Methizillin-resistenter
Staphylococcus aureus, hat sich aber mit der Zeit zu
Multi-resistenter Staphylococcus aureus  gewandelt. Der ursprüngliche Name stammt vom β-Lactam-Antibiotikum Methizillin, zu dieser Gruppe gehört aber auch das Penizillin. In den 1960er Jahren gab es erste Berichte in England von MRSA-Infektionen. In den 1970er Jahren gab es erste Berichte, dass MRSA gegen mehrere Antibiotika resistent geworden waren. Im Jahr 1996 gab es erste Berichte, dass manche Stämme von MRSA auch gegen ein Antibiotikum Resistenz zeigten, das eigentlich immer funktioniert hatte.

André berichtet darüber, wie die Weiterverbreitung besonders in Krankenhäusern oder anderen Pflegeeinrichtungen von MRSA fortgeschritten ist. Er spekuliert auch, wie dies mit dem Ausbildungssystem im Gesundheitswesen zusammen hängen könnte.

MRSA-Unterteilung in Gruppen

MRSA wird seit den 1908er Jahren in verschiedene Kategorien eingeteilt, je nachdem in welchem Umfeld die Infektion statt fand. Dabei wird unterschieden zwischen:

    • HA-MRSA (Healtcare associated)
    • CA-MRSA (Community assosiated)
    • LA-MRSA (live stock associated)

Wobei HA alles mit Pflegeeinrichtungen (Krankenhaus, Seniorenheim etc.) gemeint ist, CA in Gemeinschaften wie Kindergärten oder ähnlichem und LA für die Infektionen aus der Tierhaltung steht.

Seit 2010 ist das Antibiotikum Vancomycin das Mittel der Wahl bei bei MRSA-Infektionen. Dieses Antibiotikum wurde auch in der letzten Folge mit Floria angesprochen – es wird nur in Krankenhäusern mittels einer Injektion verabreicht. Seit dieser Zeit sind auch die Fallzahlen von MRSA rückläufig, nicht allein wegen der Behandlung mit Vancomycin.

Historische Rezeptur wirkt gegen MRSA

In Bald’s Leechbook aus dem 10. Jarhundert wurde eine Rezeptur für eine Augensalbe gefunden, die eine Wirkung gegen MRSA gezeigt hat. Die genaue Rezeptanweisung und verschiedene Veröffentlichungen und Blogartikel dazu finden sich hier.

André empfiehlt GMP Podcast Interview und mgg

Wirkstoff des Monats: Galantamin

Galantamin Strukturformel (public domain)

Der Wirkstoff des Monats ,den Bernd mitgebracht hat, ist Galantamin.

Bernd ist darauf gekommen, weil er ein paar Schneeglöckchen in seinen Blumenkästen auf dem Balkon gesehen hat und seine Frau ihm den Hinweis gab, dass Schneeglöckchen eben die Quelle für Galantamin sind. Benannt wurde dieser Wirkstoff nach dem lateinischen Namen für das Schneeglöckchen: Galanthus nivalis. Das Galantamin gehört zur Gruppe der Alkaloide, zu denen auch Coffein, Morphin oder Capsaicin gehören. Wie der Scharfstoff Capsaicin wirkt, wurde in der Episode WSR017 Warum Chili heiß und Minze kühl schmeckt oder was Chemesthetik ist besprochen.

Schneeglöckchen (public domain)

Die Einordnung der Alkaloide ist eher eine historische Einordnung, erzählt Bernd. Man könnte es zusammenfassen mit: basische Substanzen, die man aus Pflanzen extrahiert hat. Meistens handelt es sich bei Alkaloiden um Bitterstoffe. André hatte sofort die Assoziation mit Alkalimetallen, die Bernd auch erklärt. Bei dieser Gruppe von Elementen sind die Salze auch starke Basen.

Wirkungsweise des Galantamins

Das Galantamin ist ein Antidimentivum, das sehr spezifisch gegen die Alzheimer-Krankheit wirkt, eine bestimmte Form der Demenz. Durch das Galantamin kann das Erinnerungsvermögen verbessert werden, aber nur, wenn dies durch die Alzheimer-Krankheit beeinträchtigt ist, und dort eine Acetylcholin-Störung vorliegt. Denn bei Alzheimer-Patienten ist das Gleichgewicht zwischen Acetylcholin-Rezeptoren und dem Enzym zum Abbau von Acetylcholin oft gestört. Galantamin wirkt sowohl auf die Rezeptoren als auch auf das Acetylcholin im synaptischen Spalt. Daher kann dieser Wirkstoff gesunden Menschen nicht ein besseres Erinnerungsvermögen verschaffen. Galantamin kann auch als „Gegenmittel“ gegen bestimmte Nervengase eingesetzt werden oder gegen Muskelrelaxanzien, denn diese Stoffe setzen ebenfalls bei den Acetylcholin Rezeptoren und/oder den Acetylcholin-abbauenden Enzymen an.

Termine

    • am Dienstag 10.03.2020 ist das Open Science BarCamp, bei dem man auch Bernd und André antreffen kann.
    • vom 20. bis 22.04.2020 sind die Wirkstofftage 2020 in Hamburg, bei denen Bernd und André vor Ort sein werden und wovon es einen Bericht im Podcast geben wird.

Wir freuen uns immer über Feedback: per Mail unter info@wirkstoffradio.de, in den Kommentaren unter den einzelnen Episoden, über Twitter @wirkstoffradio oder auch als Bewertung bei iTunes oder panoptikum.social.

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5 Antworten auf „WSR031 MRSA, Schneeglöckchen und Alkaloide“

    1. Hallo Bruno,
      Es tut mir Leid, dass ich dir Kopfschmerzen bereitet habe. Ich habe diese Zuordnung der Abkürzungen aus der englischsprachigen Wikipedia so übernommen, mit „associated“, und habe das auch in einigen Quellen auf der Seite so gefunden. Wie man gemerkt hat, habe ich mir die Infos etwas zusammen suchen müssen, aber Ausgangspunkt waren für mich diese Links:
      https://en.wikipedia.org/wiki/Methicillin-resistant_Staphylococcus_aureus#Epidemiology
      https://en.wikipedia.org/wiki/Methicillin-resistant_Staphylococcus_aureus#History

      Siehe auf der Wikipedia-Seite auch die Referenzen 109 und 117.
      Link von Ref 117: https://www.cdc.gov/hai/

      Hast du vielleicht eine Quelle für mich mit einer Begriffsdefinition? Ich hab da nix ordentliches gefunden. Auf Wikipedia und bei der CDC steht es immer mit „associated“.

      Liebe Grüße, André

  1. Hallo Ihr Zwo!
    Wieder vielen Dank für diese Folge.
    Doch muss ich der Aussage widersprechen, dass Vancomycin nur in Krankenhäusern genutzt würde, weil es in oral applizierbarer Form nicht verfügbar wäre.
    Selbst in der winzigen Landapotheke, in der ich hin & wieder arbeite, sind Vancomycin-Kapseln durchaus schon mehrfach vorgekommen. Ich habe extra eben noch einmal nachgeschaut: es gibt sogar mindestens zwei Firmen, die sie anbieten.
    Sicherlich werden sie dann nicht bei MRSA eingesetzt, eher Clostridium difficile, und die Verordnungen kamen vermutlich alle von einem Krankenhaus – aber immerhin: es gibt sie. Und Verordnungen im ambulanten Bereich können vorkommen.

    Unverständlich ist mir auch Bernds Bemerkung, auch Penicilline würden nur in Krankenhäusern eingesetzt, weil ihre Beta-Lactamstruktur die perorale Applikation nicht erlaube.
    Von Penicillin V über Ampicillin zum Amoxicillin (mit oder ohne Clavulansäure) sind doch durchaus reichlich Tabletten am Markt – kann es sein, dass eine andere Gruppe (bestimmte Cephalosporine?) gemeint war?
    Aber jetzt freu ich mich erstmal auf den Rest, ganz besonders auf das Schneeglöckchen, ich muss unbedingt weiterhören 🙂
    Beste Grüße aus der Rhön!

    1. Hallo Barbara,
      danke für die Korrekturen. Ich war bei meinen Ausführungen noch gedankklich bei unserem Gespräch mit Dr. Florian Kloß aus WSR030 Antibiotika & Resistenzen: Geschichte, gesellschaftliche Bedeutung und Antiinfektiva-Forschung, der erwähnte das es bestimmte Antibiotika nur zur Injektion gibt, und hatte mir in dem Kontext Vancomycin gemerkt. Dann habe ich das falsch erzählt – mein Fokus war aber vor allem einen kurzen Abriss zu MRSA zu erzählen. Jetzt ärgere ich mich ein wenig das ich das mit den Antibiotika nicht nochmal genauer nachgeschaut habe. Herzlichen Dank für deine Korrekturen, die sind sehr willkommen!

      LG, André

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