WSR006 Molekülstrukturen, Paracetamol und HIV-Selbsttests

Wirkstoffradio-Aufkleber
Das schöne Foto von den Wirkstoffradio-Aufklebern, dass wir gleich zu Anfang ansprechen.

Bernd und André sitzen wieder zusammen in Bernds Wohnzimmer und wir fangen an mit Neuigkeiten in eigener Sache: Wir haben Wirkstoffradio-Aufkleber! Wenn jemand uns mal zufällig irgendwo trifft – wir haben immer ein paar Aufkleber dabei. Aber wir würden die Aufkleber auch verschicken, für all jene, die uns auf Fehler in unseren Texten hinweisen oder vielleicht sogar einen guten Link zu einem Thema haben, der passender ist als das was André in den Begleittexten zu den Folgen verlinkt hat (beispielsweise ein Artikel über die Soja-Saucen-Geschichte in WSR004 Sonnenmilch, Soja-Sauce und Chromatographie). Wir haben übrigens noch keine Rezension auf iTunes oder auf panoptikum.social – wer das ändern mag, kann sich auch gerne per Mail unter info@wirkstoffradio.de mit seiner Postadresse melden.

Expedition in Vietnam, klick für mehr Bilder in separatem Beitrag – mit freundlicher Genehmigung IPB/Prof. Wessjohann

Wir haben ein kleines Update zur Folge WSR003 vom Naturstoff zum Wirkstoff – Interview mit Prof. Wessjohann – wir haben Bilder von einer Expedition von Ludger aus dem Jahr 2005 zur Verfügung gestellt bekommen. Alle Bilder könnt ihr euch in diesem Blogbeitrag ansehen. Außerdem haben wir euch dort noch ein paar Videos von Ludger verlinkt, in denen er beispielsweise über computergestützte Chemie oder natürliche Antibiotika erzählt.

In der nächsten Folge wird es, unter anderem, um dieses Gebüsch gehen.

Kurz zur letzten Folge WSR005 Was ist Toxikologie – Interview mit Prof. Hengstler bei der André leider nicht dabei sein konnte: Wir wollen euch beruhigen, bei der nächsten Folge mit Interview werden Bernd und André zusammen das Gespräch führen. André verrät auch, dass es in der nächsten Folge unter anderem um Gebüsche gehen wird, aber weiter ins Detail gehen wir nicht ;-).

André spricht mit Bernd über seine Eindrücke vom Interview mit Prof. Hengstler am IfADo, dem Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund und Bernd erzählt wie es ihm bei dem Gespräch ergangen ist – da es das erste Interview war das Bernd alleine geführt hat.

Unter anderem hatte Herr Hengstler einige Substanzen erwähnt, die für Leber und Gallenblase sehr schädlich sein können. Das waren DDC (3,5-Diethoxycarbonyl-1,4-dihydrocollidin), ANIT und Paracetamol. Zunächst sprechen wir ein wenig darüber welche Funktion Leber und Gallenblase genau im menschlichen Körper erfüllt, wie und wie genau die „Entgiftung“ dort von statten geht, aber auch was ein Leberinfarkt ist.

Struktur ANIT (alpha-Naphthylisothiocyanat)

Bernd erklärt uns die Strukturen dieser Moleküle und fängt beim ANIT (alpha-Naphthylisothiocyanat) an. Die Grundlage dieser Struktur bilden zwei Benzol-„Ringe“. Dabei handelt es sich um ein „aromatisches System“ oder auch, allgemeiner gesagt, um aromatische Kohlenwasserstoffe. Das ANIT gehört zur Gruppe der Thiocyanate, die schon eine sehr interessante Gruppe in der Chemie sind. Bernd erklärt zum Abschluss was bei diesem Molekül genau die Giftigkeit ausmacht, und das ist vor allem auch die hohe Reaktivität durch die Seitengruppe.

Die Struktur von Benzol, Pyridin, Collidin und DDC (3,5-Diethoxycarbonyl-1,4-dihydrocollidin)

Dann kommen wir zum „sehr schön symmetrischen“ DDC. André ist fasziniert von der Sprache der Chemiker um ein Molekül ganz genau in Worten zu beschreiben und Bernd erklärt genau wie diese Sprache in eine Struktur zu übersetzen ist. Die Grundlage bildet die Form eines Benzols, allerdings mit einem Stickstoffatom (N) anstelle eines Kohlenstoffatoms. Ein solches Molekül nennt man dann Pyridin oder Azabenzol. Mit ein paar Seitengruppen erhält man dan schließlich 2,4,6-Collidin. Dabei erklärt Bernd einiges zum Sprachgebrauch der Chemie und auch einige Phänomene. Eine kurze Liste dazu:

Aufbau und Struktur von Paracetamol

Schließlich kommen wir dann zur Struktur des Paracetamol. Bernd baut wieder die Struktur aus einfachen Grundbausteinen zusammen. Wir fangen wieder mit dem Benzol an, wie oben. Dann geht es allerdings weiter mit den Stoffen Phenol und Anilin. Beim Phenol hängt noch eine OH-Gruppe an unserem Benzolring, bei Analin eine NH2-Gruppe.

Und damit haben wir quasi schon Paracetamol, denn auf „chemisch“ gesprochen heißt Paracetamol nicht anderes als N-Acetyl-4-aminophenol oder 4- p-Hydroxyacetanilid. Bernd erklärt ausführlich wie man diese Wort zusammen setzen muss, nur mit der Grundlage von Phenol und Anilin um Paracetamol zu erhalten. Paracetamol wirkt als ein leichtes Schmerzmittel, auch Analgetikum genannt, und fiebersenkend. Das die Wirkung als Schmerzmittel über ein bestimmtes Enzym wirkt, haben wir auch schon in Folge WSR001 Was sind Wirkstoffe? – Interview mit Prof. Höltje besprochen, am Beispiel ASS. Allerdings lässt sich die fiebersenkende Wirkung nicht so einfach erklären.

Paracetamol kann man auch als eine Prodrug, dass heißt Paracetamol wird im

Stoffwechselprodukte von Paracetamol, NAPQI wirkt gifitg in der Leber.

Körper auch verstoffwechselt und Stoffwechselprodukte von Paracetamol haben dann eine andere beziehungsweise weitere Wirkung. Zwei dieser Stoffwechselprodukte sind oben im Bild auch zu sehen. Einmal das N-Arachidonoylphenolamin und das N-Acetyl-p-benzochinonimin, kurz NAPQI. Bernd erklärt welche Theorien es dazu gibt, wie diese Stoffwechselprodukte, die auch Metabolite genannt werden, im Körper wirken, und wie Komplex die komplette Wirkung von Paracetamol ist.

Schließlich erklärt Bernd warum Paracetamol so gefährlich für die Leber ist. das hängt mit dem oben erwähnten NAPQI-Molekül zusammen. Das wird aus Paracetamol in der Leber gebildet, und der Plan der Leber ist es mit den Veränderungen die es am Molekül vornimmt es besser wasserlöslich zu machen. Leider ist das NAPQI auch sehr reaktiv, ähnlich wie das DDC, dass wir oben besprochen haben. Die Leber kann damit umgehen, aber nur zu einem bestimmten Grad. Es gibt eine Schwelle ab der die Leber keine Resourcen mehr hat mit dem NAPQI klar zu kommen und deswegen ist Paracetamol ab einer bestimmten Dosis auch so gefährlich für die Leber.

Bernd merkt noch an, dass interessanter Weise das Acetylcystein oder kurz ACC, das man vielleicht als Medikament zum schleimlösen kennt, würde der Leber beim Abbau von NAPQI helfen, denn es liefert eine ähnliche Struktur wie sie von der Leber selbst zum Abbau des NAPQI hergestellt wird.

Dr. Annette Schappach, Apothekerin – hier mit „Podcast-Katze“ die auch kurz zu hören ist.

Da Bernd detailliert die Wirkungsweise von Paracetamol erklärt hat, wollten wir das Thema auch von der Aphoteker-Seite betrachten und haben deswegen eine Gästin eingeladen: Dr. Annette Schappach ist Pharmakologin und Apothekerin. Praktischer Weise konnte sie spontan zur Aufnahme dazu kommen – sie ist nämlich mit Bernd verheiratet. Sie erzählt uns einiges zu Paracetamol aus der Apotheker*innensicht, beispielsweise zur Verträglichkeit, zur Anwendbarkeit – da es bereits bei Neugeborenen angewendet werden darf, und auch zur Diskussion über die Verschreibungspflichtigkeit von Paracetamol. Gerade die zuletzt erwähnte Diskussion hat dazu geführt, dass man nur noch kleine Packungsgrößen von Paracetamol in der Apotheke kaufen kann – keine 100er Packungen mehr – sondern lediglich Packungen mit maximal 10g Paracetmol; das entspricht in der Regel 20 Tabletten bei 500mg. Packungen die mehr als 10g Paracetamol enthalten sind verschreibungspflichtig. Einige Links dazu:

Wichtig bei diesem Thema ist auch die Verpackung von Tabletten allgemeine in Blister, also in Plastikformen, bei denen man einzeln Tabletten durch eine Alufolie durchdrücken muss, um sie zu entnehmen. Zum einen sorgt so eine Verpackung dafür, dass man einen Überblick behält wie viele Tabletten man bereits genommen hat, zum Anderen hält es davon ab einfach mal eine Handvoll Tabletten zu nehmen, einfach weil man jede Tablette einzeln entnehmen muss. Hin zu kommt, dass auf diese Art der Verpackung auch viel leichter die Dosis pro Tablette vermerkt werden kann. Paracetamol kann bereits bei Neugeborenen verabrecht werden, dort dann als 125 mg Zäpfchen, Bei Kleinkindern in Tablettenform mit 250 mg und bei Erwachsenen als Tablette in der Regel mit 500 mg Wirkstoff. Ein Blister hilft dabei diese Tabletten nicht miteinander zu verwechseln.

Wir sprechen dann auch über die leichten Analgetika, also ASS, Paracetamol und Ibuprofen und Kombinationspräparate aus diesen Mitteln.

Die rote Schleife als Symbol der Solidarität mit HIV-positiven und AIDS-kranken Menschen. (Bild von Gary van der Merwe, CC BY-SA 3.0)

André hat Neuigkeiten: Seit Herbst 2018 kann man HIV-Selbsttests kaufen, nicht nur in Apotheken sondern auch in Drogeriemärkten (Korrektur – im Podcast haben wir gesagt, dass es die Selbsttest nur in Apotheken gibt, das stimmte so nicht). HIV ist der Humane-Immundifizienz-Virus und löst die Krankheit AIDS aus, was kurz für Aquiered Immune Dificiency Syndrome ist, auf Deutsch als erworbenes Immunschwächesyndrom bezeichnet. Zu diesen Selbsttests gibt es eine sehr gut gemachte Informations-Seite des Paul-Ehrlich-Institut (Bundes­institut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel):

Info-Seite über HIV-Selbsttests des PEI

Das PEI hat fünf HIV-Selbsttests genauer untersucht, hat Informationen zur Anwendung, zur Verlässlichkeit und zur Sensitivität aufgelistet und noch einiges mehr. Uns ist wichtig drauf hinzuweisen, dass diese Selbsttest erst 12 Wochen nach einer möglichen Infektion mit HIV überhaupt erst ein Ergebnis liefern können und sie sind lägst nicht so sensitiv wie die Test, die bei einem Arzt oder im Krankenhaus gemacht werden können. Es gibt auch eine sehr gut gemachte Info-Seite der deutschen AIDS-Hilfe zu dem Thema:

Informationen zu HIV-Tests der deutschen AIDS-Hilfe

Uns vom Wirkstoffradio ist folgendes sehr wichtig zu sagen: Wenn jemand im Zweifel ist ob sie oder er sich mit HIV infiziert hat, dann sollte man sich nicht auf Selbsttest verlassen, besonders nicht wenn es gerade akut ist. Es gibt jede Menge Möglichkeiten sich zu Informieren:

    • Liebesleben.de/beratung (Seite der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA))
    • 0221 892031 – Telefonberatung der BZgA
    • aidshilfe.de (Seite der deutschen AIDS-Hilfe)
    • 0180 33 19411 (Telefonberatung deutsche AIDS-Hilfe, Mo-Fr 9-21 Uhr, Sa 12-14 Uhr)

Wenn man den verdacht hat sich mit HIV infiziert zu haben, wodurch auch immer, informiert euch, benutzt die oben angegeben Telefonnummer – die immer zur Anonymität verpflichtet sind – und denkt niemals das ihr alleine seid. Ärzte, Krankenhäuser und jede Menge Einrichtungen werden euch helfen! Besonders wenn ihr den Verdacht habt das ihr euch in den letzten 48 Stunden angesteckt haben könntet, kann man sofort etwas tun um eine Ansteckung zu verhindern. Zögert nicht und sucht euch sofort Hilfe. Alle Ansprechpartner die wir hier auflisten werden eure Sorgen und Informationen vertraulich behandeln.

Schließlich haben wir noch eine kleine Information in eigener Sache: Bernd und André werden auf dem 35. Chaos Communication Congress anwesend sein, der vom 27.12.2018 bis 30.12.2018 in Leipzig statt findet. Wir haben eine kleine Ecke bei den Junghackern eingerichtet, beim Verstehbahnhof, wo wir gerne etwas Wissenschaftskommunikation machen wollen, natürlich auch über Wirkstoffe aber auch über andere Dinge. André wird ein paar Mikroskope dabei haben und jede/r ist herzlich willkommen sich dazu zu gesellen. Auf jeden Fall hat sich schon Iris angekündigt, die den Sciencekompass Podcast macht, und Lars vom Auf Distanz Podcast hat sein Interesse bekundet. Fühlt euch also bitte eingeladen wenn ihr etwas über Wissenschaft erzählen wollt – aber besonders wenn ihr etwas erfahren wollt.

André hält mit zwei Kolleginnen einen Vortrag auf dem 35c3: Genome-Editierung mit CRISPR/Cas – „eine neue Hoffnung“ oder „Angriff der Klonkrieger“?

Wir könnten auch ein kleines, spontanes Hörertreffen auf dem Congress machen – bisher haben wir nämlich noch recht wenig Feedback bekommen und wir würden uns sehr über eure Meinungen freuen, was euch gefällt und was euch vielleicht stört am Wirkstoffradio, wie es bisher gemacht wird. Meldet euch sehr gerne – wir würden uns freuen. Aufkleber vom Wirkstoffradio gibt es auch ;-).

Wir freuen uns immer über Feedback: per Mail unter info@wirkstoffradio.de, in den Kommentaren unter den einzelnen Episoden, über Twitter @wirkstoffradio oder auch als Bewertung bei iTunes oder panoptikum.social.

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André Lampe
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Dr. Annette Schappach
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2 Antworten auf „WSR006 Molekülstrukturen, Paracetamol und HIV-Selbsttests“

  1. Nachdem in Episode 16 um Rückmeldungen gebeten wurde: eine späte, klitzekleine Anmerkung / Korrektur zu Paracetamol: Neugeborene und Säuglinge bekommen 75mg Zäpfchen, Kleinkinder ab 7kg Körpergewicht 125mg Zäpfchen oder 100mg als Saft. Und wie schon gesagt, bitte nicht Überdosieren und Zeitabstände (3 x täglich 1 Zäpfchen entspricht 8h Zeitabstand) einhalten.

    1. Lieber Friedhelm,
      herzlichen Dank für die Ergänzung, so werden die Kommentare zu einer wertvollen Erweiterung der Shownotes.
      Beste Grüße
      Bernd

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